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Nicht von irgendwo
Regional

Wunder, Werte und Visionen

Juli 08, 2023
Metzler Molkeprodukte in Egg ist in seiner Form einzigartig. Pionier Ingo Metzler im Interview mit FAIRPLACE.

Welche fünf Begriffe beschreiben euren Hof am besten?

Transparenz, Regionalität, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Mensch- und Tierwohl im Fokus.

Ihr habt in den letzten 30 Jahren einiges bewegt. Wie hat sich das Ganze entwickelt und welche Motivation stand dahinter?

Zuerst waren wir ein üblicher, landwirtschaftlicher Betrieb, dann forcierten wir die Direktvermarktung, erweiterten das Sortiment und unternahmen hohe Investitionen um die steigende Nachfrage zu bewältigen. Wachstum ist im Wirtschaftssystem ein entscheidender Parameter. Entweder du wächst oder du lässt es sein. So waren und sind wir laufend gefordert dem Wachstum nachzugehen. Vielleicht kommen wir aber eines Tages an den Punkt, an dem nicht ständiges Wachstum die Basis ist. Ich hege immer noch die Hoffnung, dass es einmal anders werden wird.

Hätten Sie eine Idee dazu?

Da müsste ich nichts Neues erfinden, es gibt schon eine ganze Reihe an Ideen. Wie etwa das Wunder von Wörgl mit seinem Zinseszins-System, welches alles komplett umgedreht hat, bzw. hätte. (Das Wörgler Schwundgeld, auch Wörgler Freigeld, Wörgler Schilling oder auch das Wunder von Wörgl genannt, war ein Schwundgeldexperiment in der dortigen Stadt. Dieses wurde vom damaligen Bürgermeister zur Bewältigung der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise im Juni 1932 ins Leben gerufen. Nach einem Gerichtsprozess musste das Experiment im September 1933 eingestellt werden. Anm.)

Was steht bei euch an erster Stelle, auf was legt ihr den größten Wert?

Wenn man so einen Betrieb hat wie wir, steht der finanzielle Ertrag erst an zweiter Stelle. Für Konzerne gibt es nur die Gewinnmaximierung, danach kommt eine gewisse Nachhaltigkeit – das mag sein, aber auch nur, wenn sie sich rechnet. In einem Familienbetrieb ist die Situation eine andere. Hier stehen Ökologie, Tierwohl, Energieeffizienz etc. stehen da an erster Stelle und erst dann kommt das Geld. Das ist ein kleiner Unterschied, aber ein gravierender. Wir, am Hof, sind laufend an den vier Jahreszeiten orientiert, infolgedessen achten wir sehr auf die Tiere und den Grund und Boden, sie sind unsere Grundlage. 2016 haben wir zum ersten Mal eine Gemeinwohlbilanz erstellt, die zeigen sollte, inwiefern wir dem Gemeinwohl dienen. Damit beschäftigen wir uns schon seit vielen Jahren.

Wie sieht diese Bilanz aus?

Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden, aber es ist eine Momentaufnahme und somit ein laufendes Bemühen - ein Prozess für die Enkeltauglichkeit. Bei dieser Bilanz werden 18 Parameter durchleuchtet mit allen Komponenten, wie zum Beispiel Lieferantengeschehen, Kundenthemen oder Mitarbeiter etc. In manchen Punkten sind wir gut, in anderen dürfen wir uns noch verbessern. Wichtig ist, dass ein stetiges Bemühen und Evaluieren vorhanden ist. Laut Zahlenbilanz hätten aus finanzieller Sicht manche Investitionen gar nicht gemacht werden dürfen. Wir haben dies dennoch gemeistert, um in Richtung Enkeltauglichkeit zu gelangen.
"„Wir sind an den vier Jahreszeiten orientiert, infolgedessen achten wir sehr auf unsere Grundlage - die Tiere und den Grund und Boden“"
Ingo Metzler

Euer Kernprodukt ist die Molke. Warum?

Wir betreiben eine Landwirtschaft mit Kühen und Ziegen und verarbeiten ewa 2.500 Liter Milch pro Tag. Ein Viertel kommt von den eigenen Tieren, der Rest wird zugeliefert und verarbeitet. 30 verschiedene Käseartikel haben wir im Sortiment, aber aus der Milch werden nur 10% Käse gewonnen. Aus den restlichen 90%, der Molke erzeugen wir 100 verschiedene Molkeprodukte. Am meisten wird die Molke im Bereich der Körperpflege verwendet.

Neben der Produktion eurer Käse-, bzw. Molke Spezialitäten, gibt es noch andere Schwerpunkte bei euch am Hof. Euer Betrieb ist zu einem Erlebnisparadies für Kinder und Erwachsene geworden. Ihr bietet interessante Führungen an, man kann seinen eigenen Käse herstellen, Kühe und Ziegen melken, eure große, spannende Tierwelt besuchen, etc. Wie wird das Angebot angenommen?

Ja, unser Hof ist zu einem Vorzeigebetrieb geworden, für den sich viele interessieren. 10.000 Besucher haben wir im Jahr, manche kommen aus den USA oder Australien. Speziell in den USA sind ganz andere Dimensionen vorherrschend. Der größte Milchverarbeiter aus Ohio war einmal zu Besuch bei uns und war ganz erstaunt, was hier passiert. Er hatte drei Verarbeitungsstätten: die Größte verarbeitet 14 Mio. Liter Milch am Tag, im kleineren Betrieb sind es noch 6 Mio. und in der Produktabteilung, wo nur Produktforschung betrieben und entwickelt wird, sind es immerhin noch 180.000 Liter Milch. Im Gegensatz dazu verarbeiten wir 2.500 Liter am Tag. Durch die Reinigung geht dort täglich eine Jahresleistung von uns in den Abfluss. Das ist eine andere Welt.

Was sind eure Ziele und Pläne?

Wir werden uns künftig vermehrt auf das Fleisch konzentrieren. Allgemein wünschen wir uns, dass bei der Fleischverwertung mehr Wertschätzung dem Tier gegenüber entgegengebracht wird. Es sollen nicht nur Edelteile verwendet, sondern alles verwertet werden. Viele haben die Kenntnisse darüber nicht mehr und auch nicht die Zeit Fleisch so zu verarbeiten, dass es optimal verwertet wird. Wir möchten ein attraktives Sortiment an fertigen Speisen anbieten, umgesetzt nach unserer Wertehaltung. Derzeit schließen wir die Planungsphase ab. Über funktionierende Vertriebs- und Logistikstrukturen verfügen wir ja schon, aber nun stehen die verschiedenen Behördenverfahren an, und das kann sich ziehen.

Was hat euch bewogen, der FAIRPLACE-Community beizutreten?

Die Vision dahinter gehört unterstützt, aber schlussendlich war es die Hartnäckigkeit von Markus Hagen, die uns bewogen hat dabei zu sein. :)
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