Wissen

Fäda söttands zücha

Sept. 12, 2024
Ein spannender Bericht von Burghart Häfele über die Hintergründe der inoffiziellen Nationalspeise der Vorarlberger, die Kässpätzle oder Käsknöpfle. (Copyright Burghart Häfele).

Typisch Voralbergerisch

Käsknöpfle oder Kässpätzle kann man unzweifelhaft als die inoffizielle Nationalspeise der Vorarlberger bezeichnen (neben Riebel und Kaffee wohlgemerkt). Dabei kann man in Vorarlberg, bei genauer Suche, sogar auf Lokale mit italienischem oder chinesischem Inhaber stoßen, die trotz der Speisen aus ihren Heimatländern auch Käsknöpfle anbieten. Warum ist das wohl so und woher kommt eigentlich diese Lust auf Knöpfle? Wir wollen hier einmal zu beleuchten versuchen, woher die Knöpfle kommen, was die Kässpätzle eigentlich zur Landesspeise schlechthin gemacht haben und welche Varianten wirklich köstlich sind (oft scheiden sich die Geister hier natürlich).

Woher der Name?

Jedenfalls sind im Land sowohl die Bezeichnung Spätzle wie Knöpfle gebräuchlich und das Nachschlagen in Dialektwörterbüchern (unter anderem von Sprachforscher Leo Jutz) ergibt auch kein eindeutiges Ergebnis. Lediglich lässt sich feststellen, dass Knöpfle öfter gebraucht wurde (heute dürfte sich dies schon wieder geändert haben). Die Unterscheidung der beiden Begriffe ergebe sich aus der Herstellung und Form. So seien Knöpfle rundlicher und Spätzle länglicher. Da der Teig hier im Land aber nicht wie in Schwaben geschabt, sondern mit dem Spätzler oder Knöfpler (dem Hobel) gehobelt wird, ergibt sich die charakteristische Form aus dieser Produktionsmethode in der Küche heraus ganz von selbst.

Käsknöpfle oder Kässpätzle kommen jedenfalls beim Vater der Geschichtsschreibung unseres Landes, im Kompendium von Franz Josef Weizenegger und Meinrad Merkle, noch nicht unter den dort angeführten landesüblichen Speisen vor. Die ältesten Belege im benachbarten Schwaben reichen dagegen dort bis ins 18. Jahrhundert zurück. Im benachbarten Schwabenland wird die beliebte Mehlspeise auf einem Brettchen als Teig dünn ausgewalkt, ausgeschnitten, im siedenden Wasser gekocht, nachdem die Spätzle hochgekommen sind, kalt im Wasser abgeschreckt und dann im Schweineschmalz gebraten. Serviert werden sie mit brauner Butter und geröstetem Paniermehl.

Varianten des Spätzlemenüs sind die Krautspäzle und Kässpätzle (wobei die Schwaben aber die Spätzle mit dem Käse bestreuen und dann im Ofen überbacken), wobei die letzte Version der Nachbarn, da Vorarlberg ein Käse- und Alpland ist, nicht von ungefähr hier so beliebt wurde.

Kässpätzle, aber wie?

Etwas steht aber fest, auf die Käsknöpfle „nach Vorarlberg Art“ kommen jedenfalls geröstete Zwiebel und eine „gehörige Menge Butter“. Viele schwören auch auf „gehörige Pfeffer“ als Würze. Es war sogar bei einzelnen Kochvarianten die Rede davon, dass ein ganzes Stöckle (Viertel) Butter auf den Käsknöpfle zerlassen werden soll, damit sie dann im Butterschmalz schwimmen. Wenn man solche Varianten hört, erschrickt jeder kalorienorientierte Zeitgenosse und das Damoklesschwert des Cholesterins erscheint sofort über dem gesundheitsbewussten Esser.

Die Zugabe zu den Käsknöpfle ist dagegen wieder eher etwas für Gesundheitsbewusste, denn traditionell ist das der Kartoffelsalat. In Lustenau hingegen ist es das Apfelmus, wie Alois Niederstätter kenntnisreich vermerkt, wobei hier inzwischen auch andere Regionen im Land diesen Begleiter servieren, etwa Frastanz, wie mir ein Arbeitskollege auf Anfrage bestätigt hat. Sind für das Apfelmus als Kässpätzlebeigabe der Lustenauer eventuell die ausgedehnten Obstbaumstreuwiesen in der größten Marktgemeinde Österreichs ausschlaggebend gewesen, welche es früher dort noch gab? Jedenfalls findet sich auch oft der vergärte Most oder gespritzte Most bzw. Süßmost als Getränkebeigabe, dies ist ebenfalls ein traditionelles Produkt aus Streuobst. Jedenfalls ist die Traditionsspeise der Luschnour, so ihr Dialektname, heute die „Käsdönala“ (Käsflade). Wer einmal diese Spezialität genießen möchte, muss nur auf die Lustenauer Kilbi gehen, der würzig-käsige Geruch bestimmt dann das ganze Zentrum und steigt einem unweigerlich in die Nase.

Die Montafonter Variante des Kässpätzle-Menüs besteht aus der Zutat Sura Käs und darauf sind die Montafoner auch Stolz. Auch hier reicht man traditionell Kartoffelsalat dazu und kein Montafoner würde je auf seine Art der Menübereitung verzichten.

Zum Most ist noch zu bemerken, dass es früher im Rheintal hieß „Was würd ma Wasser trinka, wenn ma Moscht im Keller heat.“ Dieser Ausspruch geht vermutlich darauf zurück, dass man sich in alter Zeit beim Wasser nicht sicher sein konnte, ob es beste Qualität hat, beim eigenen Most wusste man das aber sicher, schließlich hatte man ja das Obst auch eigenhändig aufgelesen.

Und früher, wie war da der Tag gestaltet?

Wenn man sich anschaut, was früher im Land gegessen wurde, so waren Käsknöpfle sicher nicht dabei. Da war die Zubereitung zu aufwändig. Nach der schweren Arbeit wurde in früheren Zeiten im bäuerlichen Milieu allerdings sehr wohl schwere Kost bevorzugt (was ja Käsknöpfle bekanntermaßen auch sind. Warum wohl brauchen viele nach dem Verzehr noch einen Verteiler, sprich a Schnäpsle?). So bestand der Bauerntag früher aus fünf Mahlzeiten, dem z Morgo, z Nüne, z Mittag, z Obad und z Nacht.

Am Morgen gab es Mus, zum Znünar gab es ein Brot, selten mit einem Aufstrich wie Butter, zum Mittag gab es oft Brot, Käse und Speack und dazu gesottene Kartoffeln (Bodabiera). Am Nachmittag folgte oft nochmals dieselbe Speise, als z-Obod-Essa, meist ab 16.00 Uhr. Hier konnte man sich dann schon mehr Zeit lassen, wenn man nach getaner Arbeit am Feld war, es sei denn dunkle Wolken drohten am Himmel. Das Znacht-Essa beschloss den Tag, etwa wenn das Heufuder abgeladen war oder die Stallarbeit zu Ende gebracht wurde. Meist war dies bescheiden, bestand etwa aus brotana Bodabiera (gebratene Erdäpfel), der Kratzat vom Mittag (das, was übriggeblieben war) oder nochmals ein Stopfar mit Malzkaffee.

Reichlich Kurios mutet heute an, was in einem Unterrichts- und Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Sonntagsschulen von 1901 über zu reichliches Abendbrot zu lesen war: „Die Abendmahlzeit soll nicht zu spät stattfinden und nicht zu reichlich sein nach dem alten Spruch: Abendmahlzeiten füllen die Särge. Wer mit vollem Magen sich zur Ruhe begibt, schläft unruhig und träumt meistens schwer.“

Wie anstrengend früher die Arbeit in der Landwirtschaft war, davon erzählt eine kleine Geschichte des Heimatdichters Peter Rosegger mit dem Titel „Der Bauer mit sechs Händen“. So musste der gewissenhafte Bauer von morgens bis abends allerorten zur Stelle sein, fast wie auf einem Ameisenhaufen (wobei ich hier wiederum den Dichter zitiere).

Gute alte Zeit und ein Rezept

Ein leckeres Erdäpfel-Rezept findet sich im berühmten Kochbuch „Die Süddeutsche Küche“ von Katharina Prato (Edle von Scheiger) (geb.1818 in Graz, gestorben 1897), das in Graz im Verlag Styria bereits 1908, also noch unter Kaiser Franz Josef, erschien. Übrigens war Prato ein Pseudonym. Die berühmte Kochbuchautorin aus der k. u. k.-Monarchie und gebürtige Steirerin hieß eigentlich richtig Katharina Pratobevera.

Abgeschmalzene Erdäpfel:
Kleine runde, oder Kipfel-Erdäpfel, kocht man mit Salz und Kümmel, schält sie und schmalzt sie mit Butter und Petersilie ab. Größere Erdäpfel werden gekocht, geschält und würfelig geschnitten oder roh geschält, halbiert, dann gekocht und mit in Butter oder Speck gelb geröstetern, gehacktern Zwiebeln abgeschmalzen.

Die Käsehochburg im Land

Die Käsehochburg im Land ist unzweifelhaft der Bregenzerwald. So geht die Tradition der Käseherstellung „im Wald“ bis ins 17. Jahrhundert zurück. Dabei war dies anfangs meist Sauerkäse, da die Bauern ihre Milch vor dem Käsen entrahmen mussten. Denn die Butter wurde zum Bezahlen der Steuern benötigt.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) migrierten Senner aus dem benachbarten Appenzell in den Bregenzerwald und brachten die Technik des Fettsennens mit, also der Käseherstellung „nach Schweizer Art“. Dies ergab den Hartkäse, der heute als das Qualitätsprodukt Bregenzerwälder Bergkäse bekannt ist. Mit der Einführung der Fettkäserei ab Mitte des 17. Jahrhunderts erfuhr die Milchwirtschaft im Bregenzerwald eine bedeutende Steigerung. Damit einher gingen die Viehzucht und das Alpen der Tiere und erste Belege für die Bedeutung der Viehzucht im Bregenzerwald ergeben sich bereits aus Sebastian Münsters Kosmographie (1550) und aus Johann Georg Schlehs „Emser Chronik“ (1616).

Später wird die Vorreiterrolle des Bregenzerwaldes auch dadurch bezeugt, dass bereits 1899 in der Bregenzerwälder Ortschaft Doren die erste Molkereischule Österreichs gegründet wurde. Es folgte im Jahr 1901 die Gründung der Landeskäsereischule in Doren. Die Aufgabe der Schule war es, gut ausgebildete Käser heranzubilden und die Sennereien zu überprüfen sowie durch Vorträge in den umliegenden Gemeinden auf die richtigen Methoden in der Milchwirtschaft Einfluss zu nehmen.

Andere Regionen halten locker mit

Hier ist allerdings anzumerken, dass natürlich viele andere Regionen in Vorarlberg ebenso hervorragende Käseprodukte erzeugen, oft sogar mit dem Alpnamen angepriesen. Beispielsweise wird auch auf der Alpe „Schöner Mann“ in der Hohenemser Bergwelt Käse in verschiedenen Sorten angeboten und laut dem Hilfssenner, den ich dort letzthin persönlich traf, sind diese Mitbringsel aus den Bergen bei Wanderern oder Bikern sehr beliebt.

Inzwischen kann man in vielen Qualitätsläden oder -kaufhäusern sogar spezielle Mischungen des „Spätzle-Käses nach traditioneller Vorarlberger Kultur“ für Käsknöpfle kaufen (wie etwa ein Produkt aus Hartkäse und Schnittkäse aus Nüziders vielversprechend verkündet). Dabei werden mehrere Sorten Käse gemischt, was einen einzigartigen Geschmack ergibt.

Zum Schluss eine Absage

Wollen wir nun die Käsknöpfle nur auf die Region Vorarlberg eingrenzen, weil dies einen gewissen „Landesstolz“ verspricht, so erteilt die Realität diesem Ansinnen eine Absage. Der Kulturanthropologe Bernhard Tschofen brachte das in seinem Buch „Alpenland Vorarlberg“ gut auf den Punkt: „Salopp gesagt: die (Vorarlberger) Kässpätzle haben es mit den Grenzen ebenso wenig genau genommen wie die Tiroler Knödel, die Kärtner Kasnudeln oder die Pinzgauer Kaspreßknödel.“

Wir sehen damit auch durch den Knöpflehobel hindurch, dass „alles fließt“ (im Original „panta rhei“, altgriechisch πάντα ῥεῖ), was auf die Heraklits Lehre vom ständigen Fluss der Dinge verweist, wonach sich alles in Bewegung befindet. Dass uns ein deftiges Essen bis in die Antike und die Naturphilosophie zurückführt: was wollen wir da mehr. Da spielen die Grenzen im Kopf einzelner Leute wohl keine Rolle mehr.

Verwendete Literatur:

Benger Lore: Der Bregenzerwald. Ein Bilderbuch. Verlagsbuchhandlung H. Lingenhöle u. Co. Bregenz 1969.

Burmeister Karl Heinz (Hg.): Andelsbuch. Aus Geschichte und Gegenwart einer Bregenzerwälder Gemeinde. Bregenz 1980.

Gorys Erhard: Das neue Kochlexikon. Von Aachener Printen bis Zwischenrippenstück. 4. Aufl. München 1997.

Lohs Susanne u. Lohs, Hartmuth: Traditionelle Gasthäuser in Vorarlberg, Geschichte(n) und Kulinarik. Bucher-Verlag. Hohenems-Wien-Vaduz 2015.

Niederstätter Alois (Hg.): Vorarlberg kompakt. Für Fortgeschrittene. Universitätsverlag Wagner. Innsbruck 2019, darin: Ders.: 012 Heißt es nun „Käsknöpfle“ oder „Kässpätzle“ – und wo verläuft der „Sauerkäse-Äquator“?, 48.

Tschofen Bernhard: Alpenland Vorarlberg. Erkundungen zu Geschichte und Kultur. Universitätsverlag Wagner. Innsbruck 2024.

Vorarlberger Landesregierung (Hg.): Vorarlberger Jungbürgerbuch. Dornbirn 1955.
zum vorherigen Artikel
Zehn Jahre stabiles Wachstum
zum nächsten Artikel
Qualität und Abenteuer für alle